Als neulich die Sonne wärmend schien, dachten unsere Bienen, es sei wohl an der Zeit, und machten ihren ersten summenden Ausflug in den Garten. Die Krokusse, ein ganzes Feld davon, hatten, von Sonnenlicht und -wärme motiviert, die Kelche weit geöffnet, die Bienen flogen gleich hinein und sammelten ihre erste Portion Blütenpollen. Auch uns stimmte der Sonnenschein gleich glücklicher. Die Kraft der Sonne! – „Gott,“ sagt der Herr Jesus den Jüngern in Matthäus 5,45, „Gott lässt seine Sonne aufgehen über Gute und Böse.“ Die Sonne, über einhundertmal größer als unsere Erde, Stabilisatorin des Sonnensystems, Voraussetzung für alles Leben, das wir kennen, verständlicherweise von früheren Menschen religiös verehrt: Sie ist doch auch nur Gottes Geschöpf, Gott lässt sie aufgehen, Gott lässt sie scheinen. Das soll uns unsere Winzigkeit klarmachen und uns mit Bescheidenheit und Respekt erfüllen gegenüber dem, den wir Vater im Himmel nennen. Über Gute und Böse lässt er seine Sonne aufgehen. Solange ein Mensch lebt, will Gott ihn segnen, er sei gut oder böse. Das soll mich dankbar machen, jeden Morgen, danke!, ein neuer Tag! Das soll mir auch den richtigen, gottgemäßen, Jesus-gemäßen Blick auf meinen Mitmenschen geben: Wenn mein Schöpfer meinen Nächsten segnen will, wer bin denn ich, dass ich ihn innerlich verachten und verfluchen dürfte? Bin ich denn eigentlich einer von den Guten oder von den Bösen? Ich bin einer, der Gottes Gnade brauchte und jeden Tag braucht. Wie dürfte ich die Gnade, die freundliche Annahme meinem Mitmenschen verweigern? – Jesus sagt diesen Satz über die Sonne übrigens als anschauliche Begründung für ein Gebot, das für seine Zuhörer sehr herausfordernd war: Liebt sogar eure Feinde! So werdet ihr euch als Gottes wahre Kinder erweisen. Denn: Gott lässt seine Sonne aufgehen über Gute und Böse.
Hanno Garthe