Trost im Gefängnis

Pastor Ernst Modersohn kam in der Zeit des Nationalsozialismus ins Gefängnis, weil er sich dazu bekannt hatte, dass das jüdische Volk das von Gott auserwählte Volk ist und das Heil von den Juden kommt. Im Gefängnis hatte er keine Bibel mehr.

„Wie froh war ich dann, dass ich so viele Abschnitte aus der Bibel auswendig konnte, die ich mir nun in Erinnerung rufen konnte. Sie boten meiner Seele Erquickung und Stärkung. Wie oft, wenn ich schlaflos auf meiner harten Pritsche lag, habe ich mir das „Goldene ABC“ aufgesagt. Das heißt, ich suchte mir einen Bibelvers, der mit A anfing, etwa: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab.“ Dann kam der Spruch mit B: „Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohl machen.“ Ein Spruch mit C: „Christus ist mein Leben und Sterben ist mein Gewinn.“ Einer mit D: „Dennoch bleibe ich stets an dir, denn du hältst mich an meiner rechten Hand.“ Und so weiter durch das ganze ABC durch. Vielleicht schlief ich dann voller innerer Ruhe über diesen Bibelworten ein, dann war der Zweck des Goldenen ABC erreicht. Und falls ich immer noch schwach und schlaflos dalag, wenn ich mit dem Goldenen ABC bis ans Ende gekommen war – bis auf das „Zanket nicht auf dem Wege“, das Joseph einst seinen Brüdern mitgab – dann fing ich das ABC noch einmal von vorne an, aber diesmal mit Liedern. „Allein Gott in der Höh‘ sei Ehr und Dank für seine Gnade.“ Das machte dann den Anfang. Und ich sagte mir wenigstens den ersten Vers auf, wohlmöglich das ganze Lied. „Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt.“ Ich kann gar nicht sagen, wie viel mir dieses Lied in der Gefangenenzeit bedeutet hat, wieviel Trost und Kraft es mir vermittelt hat. Was haben wir doch für einen Schatz in unserer Bibel und in unseren Liedern! Lasst uns sie auch zu Hause singen und die Worte der Bibel eifrig lesen.“ Ernst Modersohn, 1870-1948

Wolfgang Heitz